Working Out Loud im Unternehmen

Kennen Sie das? Diese Augenblicke, in denen Sie jemand begegnen, der Sie unmittelbar versteht. Aber nicht so, wie enge Freunde einen verstehen, sondern so, als jemand, der begreift, wie sie ticken, der irgendwie genauso tickt, wo man dieses plötzliche Gefühl der Zugehörigkeit hat. Diese Menschen trifft man leider viel zu selten. Ich schätze solche Verbindungen aus tiefstem Herzen und bin dankbar. Denn sie sind ein außergewöhnliches Geschenk.

Bei der #WOLCoP (also der Working Out Loud Community of Practice) habe ich genau diese Art von Menschen kennengelernt. Für mich war das die Keimzelle, der geschützte Rahmen, der es mir ermöglicht hat, gemeinsam mit Jasper John Wendenburg und Andreas Schorn Working Out Loud bei BMW auszusäen und zusammen mit den Kollegen zum Blühen zu bringen. Unsere Initiative für Working Out Loud im Unternehmen wurde 2017 sogar mit dem HR Excellence Award ausgezeichnet – einer der Höhepunkte unserer bisherigen Arbeit.

Mittlerweile interessieren sich immer mehr Menschen dafür, Working Out Loud in ihr Unternehmen zu bringen. Aus gutem Grund: Denn wenn das gelingt, verändert sich das Betriebsklima hin zu mehr Arbeitsfreude, Kooperation und schnelleren Ergebnissen. Der Weg dorthin ist allerdings oft nicht leicht, das ist unsere gemeinsame Erkenntnis als WOL-Practitioner.

Wir wissen mittlerweile jedoch, wie solche Projekte gelingen können. Und genau diese Erfahrungen möchte ich in diesem Artikel allen zugänglich machen, die WOL in ihr Arbeitsumfeld bringen möchten und nach konkreter Handreichung suchen. Mein Wunsch ist es, die Menschen zu inspirieren und zu ermuntern, sich auf den Weg zu machen und mit Working Out Loud ihre Arbeit glücklicher und zufriedener zu gestalten.

Einen ersten Zugang zu dieser Fragestellung biete ich mit meinem Blogartikel „7 Schritten zur Einführung von Working Out Loud – New Work am Beispiel BMW“.

Working Out Loud lebt davon, Wissen großzügig zu teilen. Für diesen Beitrag habe ich deshalb zusammengetragen, mit welcher Motivation andere WOL-Pioniere in ihr Projekt eingestiegen sind, wie erfolgreiche Initiativen aussehen können, wie sich ihr Arbeitsalltag verändert hat und welche Empfehlungen wir angehenden WOL-Practitionern geben können.

Unser Austausch wurde per eMail geführt, teilgenommen haben Petra Hock (Audi AG), Jasper John Wendenburg und Andreas Schorn (beide BMW AG), Harald Schirmer und Dr. Sebastian Hollmann (beide Continental AG), Melanie Rassloff (Daimler AG), Sabine Kluge (Kluge Consulting GmbH), Katharina Krentz (Robert Bosch GmbH), Claudia Mayer (Siemens Healthineers) und Julia Weber (ZF Friedrichshafen).

Impulse durch Thought Leader

Zunächst hat mich interessiert, wie meine Netzwerkpartner mit WOL in Kontakt gekommen sind. Damit möchte ich Situationen abbilden, in der meine Leser sich ebenfalls nach Verbündeten umsehen und ihr Netzwerk stärken können.

Claudia Mayer (Siemens Healthineers) hatte ein ganz bestimmtes Projekt auf dem Tisch, als sie sich auf die Suche nach neuen Lösungen machte:
„Als Hauptverantwortliche für das Enterprise Social Network in meinem Unternehmen habe ich schnell gemerkt, dass es nicht reicht, Funktionen zu vermitteln und Good-Practices. Nein, die Akzeptanz hängt davon ab, dass die Nutzer die immensen Vorteile des Arbeitens in Netzwerken verstehen und leben. Da war es dann zu Working Out Loud nur ein kleiner Schritt.“

Katharina Krentz von Bosch hatte über WOL mehrfach in einem deutschlandweiten Austauschkreis von Großunternehmen gesprochen, dann kamen Harald Schirmer von Continental und Lukas Fütterer von Daimler ebenfalls mit diesem Thema:
„… und dann habe ich gedacht, wenn diese drei deutschen Thought Leader WOL so unterstützen, dann probieren wir das bei Siemens Healthineers doch einfach mal aus.“

Bei anderen war es neben solchen Gesprächen die Aussicht auf ein Prinzip, das die bisherige, unbefriedigende Praxis mit ihrem Silodenken zugunsten einer neuen, attraktiven Arbeitsweise „auf den Kopf stellen würde“ (Sabine Kluge, Kluge Consulting GmbH).

Auch „der Wunsch nach einer besseren Zusammenarbeit, der Fokus auf das Miteinander und das Persönliche“ wird unterstützt, ergänzt Julia Weber von ZF Friedrichshafen. Der „Peer-Aspekt“ war auch bei Melanie Rasloff (Daimler AG) ausschlaggebend, das Abenteuer WOL zu starten.

Genau diese „Verbindung einer einfachen, wirkungsvollen Methode zum Netzwerkaufbau und Kennenlernen sozialer Medien mit dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung zum Wohle vieler“ hat Petra Hock (Audi AG) begeistert. Der ‚Blick über den Tellerrand‘ hat sie schon zum Start mit anderen Unternehmen in Kontakt gebracht.

Katharina Krentz, Robert Bosch GmbH, kam während ihres ersten WOL-Selbstversuchs in einem externen, firmenübergreifenden Circle schon in Woche 3 zu der Erkenntnis, „dass WOL bei Bosch unbedingt gebraucht wird: ein informelles, angeleitetes Trainings-Programm für Individuen, vernetzt und offen im Netzwerk sichtbar zusammen zu arbeiten, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.“

Dreiklang Mindset – Skillset – Toolset

WOL lässt sich damit im Dreiklang „Mindset – Skillset – Toolset“ (Claudia Mayer) zur nachhaltigen persönlichen Weiterentwicklung der Mitarbeiter und als „strukturiertes Netzwerk-Kompetenz-Training“ nutzen. Dr. Sebastian Hollmann (Continental AG): „Dadurch habe ich schnell ein Netzwerk in der HR- und Digitalisierungs-Community aufbauen können und war erstaunt, dass sich selbst im virtuellen Raum schon bereichernde und vertrauensvolle Beziehungen herstellen lassen. Ich war immer wieder fasziniert davon, jemanden zum ersten Mal persönlich zu treffen und dann das Gefühl zu haben, sich eigentlich schon lange zu kennen“

Working Out Loud im Unternehmen: Einfach machen

Natürlich war ich gespannt, welche Praxis-Tipps meine Mit-Experten für die WOL-Begeisterten haben, die davor stehen, das Prinzip in ihr Unternehmen zu tragen.

„Einfach loslegen, weitere Begeisterte finden, im Internet den Austausch mit anderen Unternehmen suchen und Schritt für Schritt wachsen“, bringt Andreas Schorn die Empfehlungen aus unserer Gruppe auf den Punkt. „Mach Dir keine Rollout-Gedanken“, empfiehlt Harald Schirmer. „Fang bei Dir selbst an! Dann suche Neugierige und leg los“. Ausprobieren ist also der Rat: Selbst einen Circle starten, Erfahrung sammeln und dann die Entscheider mit ins Boot holen. Jasper John Wendenburg (BMW AG) erinnert an das WOL-Prinzip Sichtbarkeit und rät, dafür mit Beiträgen im jeweiligen ESN (Enterprise Social Network) und neuen Formaten wie Video-Podcasts für zusätzliche Reichweite zu sorgen.

Meine Empfehlung: Wer sich noch nicht an Sichtbarkeitsstrategien herantraut, weil diese im bisherigen Arbeitsumfeld keine Rolle spielten, aber trotzdem neugierig ist, kann genau das zum Thema seines ersten WOL-Circles machen. Denn darum geht es nämlich: Herausforderungen, die einem am Herzen liegen, in diesen genialen, unterstützenden WOL-Prozessen anzupacken. Mein erstes Circle-Thema war übrigens, das Management bei BMW für WOL zu gewinnen – ein Ziel, das uns gemeinsam gelungen ist.

Bewährt haben sich auch Kick-Off-Meetings, wie sie von John Stepper und Sabine Kluge moderiert wurden. Sie wirken wie ein Startschuss und begeistern viele Kolleginnen.

Herausforderung Working Out Loud im Unternehmen

Nichtsdestoweniger ist „WOL im Unternehmen einzuführen … harte Arbeit und man braucht teilweise auch ein dickes Fell“, berichtet Julia Weber, „aber es ist jeden Aufwand und jede Sekunde wert, die man da rein steckt. Was auch helfen kann ist, eine/n Praktizierende/n aus einem anderen Unternehmen einzuladen und deren Erfahrungsgeschichte erzählen zu lassen. Oftmals hören Kollegen und Entscheider aus den eigenen Reihen mehr auf Personen außerhalb.“

Dr. Sebastian Hollmann fasst seine Empfehlungen in fünf Punkte zusammen:

  1. Starte klein und mache schnell – und wenn möglich messbar – erste (auch kleine) Erfolgsgeschichten in der Organisation sichtbar.
  2. Adaptiere das Konzept mit Augenmaß und Blick für die konkreten Herausforderungen für dein Unternehmen (z. B. bzgl. der Nutzung des eigenen Enterprise Social Networks).
  3. Biete dich selbst als Facilitator für die ersten Circles an und begeistere die ersten Teilnehmer, dies auch selbst zu tun.
  4. Finde Austauschformate, Netzwerke oder Gruppen in deinem Unternehmen, wo du das Konzept einmal vorstellen kannst.
  5. Erweitere deinen Scope und sprich Verantwortliche für potenzielle Usecases (z. B. Onboarding-Verantwortliche) oder auch gezielt die Personalentwicklung an, ob sie Interesse an einem Austausch zum Thema Social Learning haben.

Arbeiten im Working Out Loud Modus

Als ich nach den Veränderungen von Umfeld und Arbeit durch WOL gefragt habe, hat sich bestätigt, was auch ich erlebt habe: Durch das aktive Leben der WOL-Prinzipien haben sich interessante Kontakte, ein neues Gefühl der Zugehörigkeit und ein sehr diverses Netzwerk entwickelt.

Die Folge ist deutlich mehr Effektivität durch frühe Sichtbarkeit, schnelle Korrekturen durch konstruktives Feedback und damit schnellere, bessere Ergebnisse.

Dr. Sebastian Hollmann nutzt die WOL-Netzwerke zudem für ein Prinzip, das er Job Crafting nennt: „Das heißt, ich versuche, meine Aufgaben eigenständig so zu erweitern, dass sie optimal zu meiner Motivation passen – etwas, was natürlich nicht in jeder Position gleichermaßen möglich ist.“

#wirgewinnt

Gemeinsam mit meinen Kollegen kann ich sagen, dass wir sehr stolz darauf sind, „Teil einer Bewegung zu sein, bei der der Mensch wieder im Mittelpunkt steht“ (Harald Schirmer). Dazu trägt vor allem ein neuer Kommunikationsstil bei, wie Sabine Kluge beobachtet hat: „ Ich habe bei mir selbst einen umsichtigeren Ton im Umgang mit fremden und bekannten Netzwerkpartnern festgestellt; meine Anfragen und Anliegen sind freundlicher und klarer auf den Punkt, ich habe ein Gespür entwickelt, wo ich helfen könnte und gehe mit Unterstützungsangeboten proaktiv auf meine Netzwerkpartner zu. Ich nehme einen insgesamt umsichtigeren, sachlicheren, objektiveren Ton wahr. Bei den Mitmenschen, von denen ich weiss, dass sie WOL machen, beobachte ich, dass viele sich wirklich die Haltung „geben ist seliger als nehmen“ angeeignet haben.

Ein herzliches Dankeschön für Eure Zeit und Euer großzügiges Teilen Eurer Einschätzungen und Erfahrungen! Gerne möchte ich auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dazu einladen, Ihre Erkenntnisse aus der WOL-Praxis mit uns zu teilen. Am besten auf Twitter unter dem Hashtag #wol oder #wolcop. Ich freue mich auf Ihren Beitrag zu einer Diskussion, die uns gemeinsam weiterbringt.

Ilona Libal ist Diplom-Informatikerin und IT-Projektleiterin bei einem Automobilkonzern. Wie Arbeit aussehen kann, die begeistert, Freude macht, vernetzt – dazu erzählt sie in diesem Blog Geschichten von tollen Menschen und Veränderungen. Sie möchte Wissenswertes verfügbar machen und Schwung in den Arbeitsalltag ihrer Leser bringen.