Geschafft! Der Bewerbungsprozes ist abgeschlossen. Meine neuen Mitarbeiter stehen fest. Ich bin zufrieden. Dabei muss ich ans letzte Mal denken. 40 von 50 Bewerbern waren nicht geeignet – das hatte ich so noch nie erlebt. Ein Einzelfall? Auch in anderen Bereichen unseres Unternehmens konnte ich inzwischen solche Recruiting-Pleiten beobachten. In diesem Blogartikel frage ich mich: Was sind die neuen Triebkräfte für Jobsuchende? Und was müssen Führungskräfte im Konzern heute tun, um die richtigen Leute ins Boot zu bekommen? Hier ließt Du, welche Gedanken ich dazu habe.

BMW als beliebtester Arbeitgeber

Natürlich könnte ich es mir leicht machen. Denn als BMWlerin befinde ich mich nach Ansicht der Medien in einem wahren Recruiting-Paradies. BMW landet in allen möglichen Rankings regelmäßig auf Platz 1 der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands – etwa im viel beachteten Randstad Employer Brand Research. Unsere HR-Leute führen diese Spitzenposition unter anderem auf das gute Employer Branding der BMW Group zurück. Die Analysten von Randstad sehen das nüchterner. Sie stellen fest, dass die Mehrzahl der Befragten Jobsicherheit, langfristige, gute Unternehmensperspektive, Gehalt und finanzielle Stabilität am wichtigsten findet. Aber ist es das?

Das deckt sich weitgehend mit meinen Erfahrungen mit neu eingestellten Mitarbeitern. Das sind überwiegend Praktikanten, Werkstudenten und Berufsanfänger, die stolz darauf sind, bei BMW eine begehrte Stelle gefunden zu haben. Zusätzlich stelle ich mit Freude viel Idealismus und Veränderungsbereitschaft fest. Dies kommt allerdings bei vielen alten Hasen fragwürdig an. Die Generation Z  steht nun mal für den Wandel von lange Zeit gut gehegten und gepflegten Werten. Zur Erklärung, Generation Z sind die zwischen 1997 und 2012 Geborenen.

Das junge Team, das aller sechs bis 12 Monate neue Mitglieder bekommt,  begleitet meine Projekte und unterstützt sie maßgeblich. Daher kann ich euch aus erster Hand berichten, wie wir in einem großen Konzern die Weichen für zeitgemäßes Recruiting stellen.

Was hat sich geändert?

Ich kann vielen Leader beipflichten: Ja, es gibt heute mehr Konflikte im Team. In meinem Umfeld treten heute junge Mitarbeiter deutlich selbstbewusster auf als frühere Generationen in ihren ersten Berufsjahren. Während heute Azubis inzwischen Privilegien einfordern, schufteten die Babyboomer früher meist ohne Widerworte. Deshalb wird das Verhalten der Jüngeren von denen, die schon länger dabei sind, ziemlich schnell als verwöhnt oder unverschämt betrachtet. Der Wunsch nach flachen Hierarchien wird mit mangelndem Respekt gleichgesetzt, das Streben nach Freizeit mit Faulheit. Meine Frage: Ist das tatsächlich so? Oder tun wir dieser Generation unrecht?

Umgekehrt gelten Ältere den Jüngeren schnell als rückständig oder altmodisch. Das war schon immer so. Häufig handelt es sich um oberflächliche Vorurteile, denen sich mit ein wenig Mühe entgegenwirken lässt. Ich beobachte häufig, dass junge Mitarbeiter am liebsten alles über Bord werfen und neu anfangen würden. Ihre älteren Kollegen möchten dagegen Bewährtes bewahren. Mir ist es neulich selbst so gegangen. Als Projektmanagerin und „die Ältere“ wollte ich unbedingt eine exakte Ist-Analyse für eine abzulösende Software. Mein junger Kollege  plädierte dafür, lieber ganz bei Null anzufangen und was „Neues und richtig Modernes“ hinzustellen. Nun ja, wir haben uns in der Mitte getroffen.

Wie tickt die Generation Z?

Lassen wir sie selbst zu Wort kommen. In einem Meeting teilte mir unser Praktikant Mikail nach dreiwöchiger Zeit im Konzern mit: „Ich bin richtig stolz, dass mir hier schon nach wenigen Tagen interessante Aufgaben zur selbstständigen Lösung übertragen wurden – wichtige Problemstellungen, die Nutzen für andere bringen. Das gibt Selbstvertrauen!“

Ich wusste, dass Mikail extra von Nürnberg nach München gezogen war, um das Praktikum bei uns machen zu können. Solche Statements höre ich übrigens öfter von Studenten. Das zeigt mir, dass wir doch auch vieles richtig machen. Von einer sogenannten Null-Bock-Generation kann zumindest aus eigenem Erleben in meinem Umfeld keine Rede sein. Heute, nach vier Monaten bei BMW, moderiert Mikail souverän Meetings mit englischsprachigen Lieferanten und hat es dabei fertiggebracht, dass uns nur noch 10 Prozent der ursprünglich veranschlagten Summe in Rechnung gestellt wurden.

Was sind die Unterschiede zwischen den Generationen?

Nehmen wir nur die Kommunikation. Während die Babyboomer ein persönliches Gespräch oder Telefonat vorziehen, tauscht sich die Generation Z lieber per Mail oder Chat aus. Junge Leute, so meine Beobachtung, telefonieren einfach nicht gern. Prallen diese kommunikativen Gewohnheiten aufeinander, braucht es für eine gute Zusammenarbeit Toleranz und Offenheit. Alterstypische Gewohnheiten beeinflussen aber auch den Recruiting-Prozess. In vielen Stellenausschreibungen ist von flachen Hierarchien die Rede. Gemeint ist, dass sich jeder trauen darf, jeden anzusprechen – egal auf welcher Position. Unternehmen sollten versuchen, das wirklich zu leben. Voneinander lernen, um das Unternehmen voranzubringen, sollte das große Ziel sein. Aber bevor ich zu theoretisch werde, erzähle ich dir, wie wir das mit den Stellenausschreibungen bei uns machen. Schau mir gern über die Schulter.

Junge Talente gesucht – der Bewerberprozess bei BMW

Ich nutze seit längerer Zeit eine vorbereitete Stellenausschreibung, die ich immer wieder neu anpasse. Nach dem Fiasko beim letzten Mal habe ich meine aktuellen Studenten gebeten, eine Neufassung herzustellen. Ihnen waren dabei folgende Punkte besonders wichtig:

  • Vollzeitstelle mit 35 Stunden/Woche
  • Flexibles Arbeiten im Büro und Homeoffice
  • Arbeit in einem jungen, dynamischen Team
  • Umfassendes Mentoring & Onboarding
  • Attraktive Vergütung
  • Apartment am Standort München

Fachlich betonten sie in der Stellenausschreibung die Mitgestaltung von Prozessen, agiles Arbeiten mit State-of-the-art-Collaboration-Tools und die eigenständige Betreuung und Verwaltung von spezifischen Aufgabenstellungen.

Die Stelle wird dann von mir ins System eingegeben und durchläuft einen Genehmigungsprozess. Der ist bei BMW inzwischen erstaunlich kurz. Nach zwei Tagen war die Ausschreibung genehmigt und auf LinkedIN und Social-Media-Plattformen veröffentlicht. Die Studenten bewerben diese Stelle zudem in ihren eigenen Netzwerken und an ihren Universitäten.

Meine jungen Kollegen dürfen das Auswahlverfahren anschieben, ein erstes Gespräch mit Bewerbern führen und eine Vorauswahl treffen. Schließlich sind sie es auch, die die neuen Werksstudenten einarbeiten und mit ihnen im Team agieren werden. Vor der zweiten Runde, bekomme ich eine Präsentation, in der sie ihre Entscheidungen begründen. Sie bewerten dabei das fachliche Wissen, das Auftreten, den Teamgeist und wie der jeweilige Bewerber auf ihre Fragen geantwortet hat. Hatte jemand von sich aus keine Fragen zur ausgeschriebenen Stelle, war das für meine Studenten ein Indiz für mangelndes Interesse oder schlechte Vorbereitung – und der Bewerber landete auf der Streichliste.

Bei der zweiten Gesprächsrunde bin ich dabei. Danach fällt die Entscheidung. Und ich freue mich auf jeden neuen jungen Menschen, der etwas bei BMW lernen möchte und dem ich zeigen kann, welche Herausforderungen und Chancen wir ihm im Konzern bieten können.

Manchmal greifen wir uns an den Kopf

Wenn mir von abgelehnten Bewerbern aus der ersten Runde berichtet wird, gibt es nicht selten was zum Schmunzeln: Da saß zum Beispiel einmal ein Bewerber vor uns, der sich irgendwie nicht sicher war, wo er sich konkret beworben hatte. Bei einem Automobilzulieferer? Bei einer Beratungsfirma? Oder gar bei der BMW Group? Auf die Frage, warum er denn zu unserem Team stoßen wollte, antwortete er mit entwaffnender Offenheit: „Weil ich gern Auto fahre.“ Wohlgemerkt – wir sind die IT!

Obwohl die Gespräche virtuell stattfinden, spielt auch Kleidung eine gewisse Rolle. Nicht dass wir übertriebene Ansprüche stellen. Aber was würdet ihr zu einem Bewerber sagen, der in einer Schlafanzugjacke mit lustigen Elefanten drauf Rede und Antwort steht? Meine Studenten sind alles andere als spießig. Aber dieser Scherzkeks kam bei ihnen gar nicht gut an.

Was uns wichtig ist: Dass Bewerber klar erkennen lassen, warum sie zu uns möchten. Einige versicherten uns, dass BMW ja „praktischerweise gleich in der Nähe liegt“, „eine gute Firma“ sei und man ja „nur Gutes“ vom Konzern höre. Fragt man sie nach ihren Stärken, kommen oft nur emotionslos abgespulte Buzzwords. Ist das der Einfluss der sozialen Medien? Jedenfalls war für diese Kandidaten bereits nach Runde 1 Schluss.

Was wir unseren Bewerbern bieten:

Mentoring

Für jeden neuen Mitarbeiter wird ein Mentor beigestellt. Die Mentorin für meine jungen Kollegen bin ich. Zusätzlich übernimmt ein von mir bestimmter Praktikant die Verantwortung für die Einarbeitung.

Onboarding-Programm

Unser gemeinsam mit der Personalabteilung entwickeltes Onboarding-Programm ist klar strukturiert und einfach zu durchlaufen. Wir organisieren unsere Aufgaben in wöchentlichen Sprints und tauschen uns in viertelstündigen Daylies regelmäßig aus.

Das Ziel: Nach einem Tag sind die Studenten arbeitsfähig. Nach einer Wochen kennen sie ihr Aufgabengebiet, wissen, wie das Projektbudget verwaltet wird, wie agile Zusammenarbeit funktioniert, wie sie Parkausweise beantragen und und und.

Kommunikation und Feedback

Die Generation Z tritt häufig sehr selbstbewusst auf und doch merkt man ihr eine Unsicherheit in vielen Dingen an. Feedback ist meinen jungen Mitarbeitern sehr wichtig. Und so gebe ich Hinweise zu ihrer Arbeit, spreche an, was mir an ihnen besonders positiv auffällt und verpacke meine Verbesserungsvorschläge in Fragen oder neue Ideen. Auch bitte ich sie, mich jederzeit anzusprechen, wenn es Probleme gibt. Nicht immer gelingt das. Viele beißen sich allein durch, weil sie sich nicht trauen, mir meine Zeit womöglich „zu stehlen“. Dabei ist mir jede offen angesprochene Frage lieber, als dass das Team in die falsche Richtung läuft oder Wissen neu erforscht wird, das uns längst vorliegt. Julian hat vor einem Auditorium in seiner heimischen Uni Graz von seinem Praktikum bei BMW berichtet. Der Professor und die Zuhörer waren überrascht von unserer Projektvielfalt und der Agilität bei der Realisierung Die Reaktionen waren durchweg positiv. Das zu hören, hat mich sehr gefreut.

Flexibilität und angenehme Büroatmosphäre

Obwohl die Youngster im Bewerbungsgespräch nach flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice fragen, nutzen sie diese Möglichkeit später gar nicht so oft. In der Regel  verfügen sie nur über wenig Wohnraum, während bei BMW ein modernes Großraum Büro mit eigenem Teambereich auf sie wartet. Mittags steht ihnen eine allseits gerühmte Kantine zur Verfügung mit einer großen Auswahl an frischen Speisen von vegan bis bayerisch-deftig fleischig. Unsere jungen Teams lieben das. Einige laden sich sogar gleich zwei Gerichte aufs Tablett.

An the Winner ist …

Jetzt also war es so weit – die drei Neuen Felix, Anil und Mirko stehen fest. Sie hatten sich innerhalb eines Spektrums von insgesamt 70 Bewerbern durchgesetzt, was ihnen richtig Auftrieb für die Zukunft geben wird. Okay, ich hatte mir auch eine Frau in dem Kleeblatt gewünscht. Aber dann hoffentlich beim nächsten Mal. Die drei werden ein halbes Jahr bei uns bleiben und dabei tief in unsere laufenden und neuen Projekte eintauchen. Und es gibt eine erfreuliche Übereinstimmung mit der Dreiergruppe, die uns nun verlassen wird und die neuen Bewerber mit mir zusammen ausgesucht hat. Zu ihr gehören der schon genannte Österreicher aus Graz, ein Münchner mit türkischen Mutter und ein Student an der KIT in Karlsruhe. Und soll ich euch was sagen? Genau die gleiche Konstellation trifft auch auf Felix, Anil und Mirco zu! Eine liebenswerte Kontinuität.

Und zum Schluss noch ein positives Fazit: Anna, die im September 2023 zwei Jahre als Werkstudentin bei mir ist, wird im Oktober als feste Mitarbeiterin in der IT der BMW Group anfangen. Sie ist mittlerweile die Dritte aus meinem Studentenpool, die sich für eine Festanstellung bei uns entscheidet. Das freut mich sehr und macht mich stolz. Da scheinen wir doch einiges Richtig zu machen!

 

Ilona Libal ist Diplom-Informatikerin und IT-Projektleiterin bei einem Automobilkonzern. Wie Arbeit aussehen kann, die begeistert, Freude macht, vernetzt – dazu erzählt sie in diesem Blog Geschichten von tollen Menschen und Veränderungen. Sie möchte Wissenswertes verfügbar machen und Schwung in den Arbeitsalltag ihrer Leser bringen.