WOL und agiles Mindset

Als IT-Projektleiterin und Scrum Masterin bei BMW bin ich gemeinsam mit den Product Ownern und dem Team für zeit- und budgetgerechte Ergebnisse verantwortlich. Wir beobachten heute eine hohe Geschwindigkeit von Veränderung. Damit müssen wir Chancen viel schneller erkennen und mit Innovationen darauf reagieren – bei Methode, Umfeld und Unternehmenskultur. Das bedeutet, wir müssen ein agiles Mindset stärken. Seit 2015 beschäftige ich mich intensiv mit Working Out Loud, halte in meinem Unternehmen dazu Vorträge und unterstütze WOL-Circles als Mentorin. Wie sich Working Out Loud auf die Entwicklung eines agilen Mindsets auswirkt, beschreibt dieser Bericht.

Als ich vor einigen Jahren auf John Stepper und seine Philosophie des Working Out Loud aufmerksam wurde, war ich begeistert.

Statt des bisher üblichen Silo- und Bereichsdenkens mit allen Nachteilen war dort die offene Zusammenarbeit über die Abteilungsgrenzen hinweg gefragt. Ich fragte mich:

„Könnte das ein wirksames Changemanagement-Tool beim Übergang vom konservativen zum agilen Mindset sein?“

Im agilen Vorgehen geht es ja darum, sich Schritt um Schritt voran zu tasten, immer wieder innezuhalten, zurückzuschauen und aus dem Erlebten den Schwung und die Richtung für den nächsten Schritt zu gewinnen. Es geht um Augenhöhe statt Unterordnung, um ein Miteinander statt Konkurrenzdenken, um Wissenstransfer statt Wissenshortung. Kurzum: darum, Potenziale zu heben, statt diese verkümmern zu lassen.

Mitarbeiter sollen intrinsisch motiviert, kommunikativ und selbstorganisiert gemeinsam ein Produkt entstehen lassen, das dem Kunden echten Mehrwert bietet.

Führung wiederum soll Vertrauen, flache Hierarchien und die Fähigkeit zur Begleitung im Rahmen von Coaching-Prozessen gewährleisten. Der Projektleiter mit agilem Mindset wird vom Manager zum Enabler oder Leader, das Team organisiert sich selbst.

Diese neuen Verhaltensweisen sind jedoch nicht selbstverständlich.

Denn in der Vergangenheit kam oft genug derjenige weiter, der Anweisungen „von oben“ möglichst effizient umsetzen konnte und sich ganz auf sein eigenes Projekt konzentrierte. Und so haben viele von uns diese Verhaltensweisen ins tägliche Leben übernommen. Oder sie haben resigniert und sich damit abgefunden, dass der Chef sagt, wo es lang geht („Alleine kann ich ja doch nichts ändern“).

Das wird in Zukunft anders sein.

WOL: Lernprogramm für agiles Mindset
Im Moment befinden wir uns in einer Phase des Übergangs vom Wasserfall-Projektmanagement hin zum agilen Arbeiten. Durch die intensive Beschäftigung mit der Methode Working Out Loud und das Verinnerlichen der fünf Kernelemente kann ich meine Kollegen schon heute dabei unterstützen, mit Freude und hoch motiviert, selbst organisiert und gemeinsam für das Projektziel zu arbeiten, ganz im Sinne des agilen Arbeitens. Denn die Kernelemente von Working Out Loud finden sich auch bei den agilen Prinzipien wieder:

1. Relationships (Beziehungen) und das agile Prinzip ‚Crossfunktionale Zusammenarbeit‘

WOL: Das Netzwerken ist tot, es lebe das Netzwerken: Während Kontaktpflege bisher vor allem dem eigenen Vorteil dienen sollte – wen muss ich kennen, um meine Ziele zu erreichen – heißt es jetzt: Wer begeistert mich? Wen möchte ich unterstützen? Wen möchte ich deshalb kennenlernen? Dadurch entstehen absichtslos wertvolle, angenehme Kontakte, die zum Ziel führen.

Agiles Mindset: Im Projekt geht es darum, das bestmögliche Produkt für den Kunden zu entwickeln. Doch bitte nicht die Eier legende Wollmilchsau, sondern ein Produkt mit der besten Wertschöpfung. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit den Entwicklern und den Menschen notwendig, die ein breites Wissen über den Zielmarkt und die Zielgruppe haben. Wenn der Product Owner seine Anforderungen nach Mehrwert sortiert und mit dem Entwicklungsteam diskutiert hat, ist nicht Schluss mit der Kommunikation. Beim Wasserfallprinzip war das so. Arbeitet man im agilen Mindset, findet während der gesamten Entwicklungszeit ein enger Austausch statt. Beziehungen aufzubauen, wie es WOL lehrt, könnte dabei helfen.

2. Generosity (Großzügigkeit) und agile Prinzipien ‚Unterstützung leisten‘ ‚Vertrauen schenken‘



WOL: Agiles Networking ist eng mit dem Gedanken der Großzügigkeit verbunden: Ich gebe meine Erfahrungen, Ideen, Kontakte weiter, damit etwas Neues entstehen kann. Nicht nur auf meinem Schreibtisch, sondern im ganzen Unternehmen – nach dem Prinzip „Gemeinsinn statt Eigennutz“. So wird bisher scheinbar Unmögliches plötzlich realisierbar. Denken Sie an eine beliebige Schnittstelle zu einer anderen Abteilung oder zu einem Projektpartner: Wo können Sie Großzügigkeit zeigen?

Agiles Mindset: Für Führungskräfte heißt das: Wie kann ich meinen Mitarbeitern das Umfeld (und das Vertrauen) geben, in dem sie intrinsisch motiviert bestmöglich arbeiten können. Ich selbst verwende viele Stunden meiner Arbeitszeit darauf, die Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung zu entwickeln. Als Scrum Masterin schaffe ich Hindernisse aus dem Weg, bemühe mich um eine störungsfreie Arbeitsatmosphäre und sorge für wichtige Arbeitsmittel. Dabei möchte ich das Vertrauen des Teams nicht enttäuschen.

3. Visible Work (Arbeit sichtbar machen) und agiles Prinzip ‚Direkte persönliche Kontakte‘



WOL: Um Unterstützung für mein Projekt einzuwerben, muss ich meine Gedanken sichtbar machen. So erfahren andere von einem Vorhaben, das sie ebenfalls interessant und unterstützenswert finden. Nutzen Sie deshalb die firmeneigene Informationsplattformen und/oder Vorträge und Arbeitsgruppen, um über Ihre Projekte zu sprechen.

Agiles Mindset: Im agilen Vorgehen ist Transparenz eines der Schlüsselelemente. Mir reicht es nicht, dass wir Informationen sichtbar machen, sondern ich möchte, dass sich die verschiedenen Parteien (externe Partner, interne IT, Fachbereich) persönlich austauschen. Die agile Methode Scrum, die wir in unserem Projekt anwenden, bietet dazu durch die von der Methode vorgegebenen Events eine gute Basis.

4. 

Purposeful Discovery (zielorientiertes Erkunden) und agiles Prinzip ‚Funktionierende Software

WOL: Ein 12-wöchiger WOL-Circle ist klar strukturiert und fördert gleichzeitig die kreative Offenheit. Das Ziel ist Leuchtturm der Orientierung. Ideen und Ressourcen richten sich darauf aus. Bleiben Sie also zielorientiert, nutzen Sie jedoch gleichzeitig das Erfolgspotenzial von uneigennütziger Beziehungspflege, Goodwill durch Großzügigkeit und breite Sichtbarkeit.

Agiles Mindset: Am Ende eines Entwicklungszyklus (Sprint) zählt nur, ob die erstellte Software bzw. das erstellte Teilprodukt den definierten Abnahmekriterien entspricht und fehlerfrei funktioniert. Agiles Mindest braucht Fokus, der sich mit WOL sehr gut trainieren lässt. Ich erwarte nicht von meinen Kollegen, dass sie einen WOL-Circle absolvieren. Doch ich lebe WOL vor und mache neugierig durch meine Vorträge.

5. Growth Mindset (Dynamisches Selbstbild) und agiles Prinzip ‚Einfach ist besser‘

WOL: Hier gehen wir zielstrebig vor und denken gleichzeitig in Potentialen. Wo sehen Sie bei sich, bei anderen und im Unternehmen Entwicklungschancen? Zwischen dieser Erkenntnis und der Realisierung liegen häufig nur 12 Wochen. Lernen Sie, viel mehr für möglich zu halten: WOL macht aus einem Nullsummenspiel (was ich gewinne, musst Du verlieren) ein Meer an Möglichkeiten.

Agiles Mindset: Auch hier steht das Wesentliche im Mittelpunkt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten des „Wasserfalls“, als wir oft viel Funktionalität entwickelt hatten, die dann nicht gebraucht wurde. Dieser Überfluss kennzeichnet auch die erste Phase der agilen Prozesse. Doch zeitnahe Feedbackschleifen mit Fragen und Bewertungen sorgen dafür, dass Redundanz entfällt und ein wirklich anwendbares, wertschöpfendes Produkt entsteht.

Fazit:
Derzeit stellen wir unsere Projekte vom Prinzip Wasserfall auf agiles Arbeiten um. Dabei kann uns Working Out Loud bei der Entwicklung eines agilen Mindsets unterstützen: Die fünf Kernprinzipien von WOL korrespondieren mit den agilen Prinzipien. Damit schaffen wir für den Kunden den bestmöglichen Wert, reduzieren Verschwendung und unterstützen die Stärkenentwicklung unserer Mitarbeiter. Organisatorische Änderungen sind dafür nicht erforderlich, aber häufige, ja zwingende Folge davon.

Ilona Libal ist Diplom-Informatikerin und IT-Projektleiterin bei einem Automobilkonzern. Wie Arbeit aussehen kann, die begeistert, Freude macht, vernetzt – dazu erzählt sie in diesem Blog Geschichten von tollen Menschen und Veränderungen. Sie möchte Wissenswertes verfügbar machen und Schwung in den Arbeitsalltag ihrer Leser bringen.