Was macht eigentlich richtig gute Zusammenarbeit aus? Was wird sich in der Zukunft verändern? Das hat die Künstlerin und Unternehmensberaterin Angelika Neumann in ihrer Blogparade #guteZusammenarbeit gefragt – und mich damit zu diesem Artikel inspiriert.
Seine zentrale Aussage: Ganz allein schaffe ich nichts – ich brauche immer Menschen, die mir helfen, an mich glauben und mich inspirieren. Lassen Sie mich dazu zunächst von meinen Erlebnissen in Bahrain erzählen:
Als ich 2011 meinem Mann an den persischen Golf folgte, hatte ich die feste Absicht, dort auch zu arbeiten. Doch Zeitpunkt und Ort waren ungünstig. Wir gerieten mitten in die Unruhen des Arabischen Frühlings hinein. Wir kamen Anfang Februar in Manama an und mussten beobachten, wie die Menge der Demonstranten von Tag zu Tag beängstigend zunahm.
Und das ausgerechnet vor unserem Wohngebäude am Pearl Square, einem symbolträchtigen Ort: Hier wurde 1982 das Perlen-Monument errichtet, das für die lange Tradition des Perlenfischens in der Region und den Zusammenhalt der Golfstaaten steht.
Die zunächst friedlichen Demonstrationen wurden mit jedem Tag aggressiver, die Geschehnisse überschlugen sich. Überall brennende Straßensperren, der Straßenverkehr komplett lahm gelegt, alle Geschäfte über mehrere Tage geschlossen, totales Chaos und ich eingesperrt im Apartment – allein, ganz auf mich gestellt, denn mein Mann war geschäftlich unterwegs und telefonisch nicht zu erreichen. In dieser für mich beklemmenden Situation fing ich an aufzuschreiben, was ich sah, und fühlte. Ich wollte das Unvorstellbare in Worte fassen, um die Geschehnisse einigermaßen verarbeiteten zu können.
Das Leben in Bahrain wurde dann wieder zunehmend normal und ich konnte in der Folge dann auch sehr schöne Dinge erleben, auch diese wert, sie aufzuschreiben.
Beim weiteren Schreiben wuchs in mir die Erkenntnis, dass da vielleicht etwas ganz Tolles im Entstehen begriffen ist. Und tatsächlich, zwei Jahre später publizierte ich über AMAZON mein Buch über diese bewegte Zeit in Bahrain.
Natürlich freute ich mich über diesen tollen Erfolg, aber, habe ich das für mich Erreichte auch wirklich allein geschafft? Nein! Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie sehr mir andere Menschen dabei geholfen haben:
Da war Beate, die mit einem bahrainischen Bauunternehmer verheiratet ist. Sie erzählte mir viel von dieser kleinen, schönen Insel, von den freundlichen Bahrainis, ihren Sitten und Bräuchen. Von ihr erfuhr ich viel über den Islam. Sie bestärkte mich auch in meiner Begeisterung zu schreiben. Und dann waren da noch Sylvia, Karin und Joachim, die ebenfalls gern Geschichten schrieben. Wir trafen uns einmal im Monat, lasen uns unsere unfertigen Geschichten vor, gaben uns gegenseitig Tipps, übten konstruktive Kritik und machten Verbesserungsvorschläge. Wie musste ich mich damals überwinden, meine unfertigen Texte vorzulesen. Doch ich fuhr immer beflügelt und mit einem Füllhorn voll neuer Ideen nach Hause.
Damit Gutes entsteht, brauchen wir immer Menschen, die uns inspirieren und unterstützen. Wir müssen zusammenarbeiten, und es liegt sehr viel an uns selbst, ob dies gelingt. Ich jedenfalls habe den Menschen interessiert zugehört, mich in ihre Situation versetzt, wie dies auch umgekehrt der Fall war – Erlebnisse gegenseitiger Wertschätzung, die mir Kraft gaben, mein Buch zu veröffentlichen.
Diese Prinzipien guter Zusammenarbeit gelten aber nicht nur in einer exotischen Ausnahmesituation, sondern erst recht in meiner heutigen Arbeitsumgebung als IT-Projektleiterin in einem deutschen Konzern.
Hier erlebe ich natürlich eine ganz andere Ebene der Zusammenarbeit. Hier arbeite ich eng mit mehreren Kollegen in einem Team zusammen. Wir haben ein gemeinsames Projektziel. Rollen und Verantwortungen sind klar verteilt, da kommt schnell ein „Wir-Gefühl“ auf und so macht Zusammenarbeit auch Spaß.
Viel schwieriger lässt sich so ein „Wir-Gefühl“ bei sehr großen und komplexen Projekten erreichen. Dies wegen der Vielzahl von Teams unterschiedlicher Disziplinen und dem damit verbundenen schwierigen Schnittstellen-Management.
Ein wichtiger Wert ist auch die Transparenz: sichtbar machen, was innerhalb des eigenen Teams, und übergreifend in den Partnerteams läuft. Ein negatives Beispiel für fehlende Transparenz hat mir Günter erzählt, Projektleiter bei einem Chemie-Anlagenbauer. Im Anlagenbau steht die Verfahrensabteilung in der Prozesskette an erster Stelle. Sie legt das Verfahren fest, gibt Dimensionierung und Materialauswahl von Behältern, Rohrleitungen, Ventilen, Maschinen vor. Günter kritisiert das „Silodenken“, bei dem die beteiligten Fachabteilungen wie getrennte Einheiten denken und handeln, statt vernetzt zu agieren: Clevere Ingenieure in „Silo 1“, also der Verfahrensabteilung, hatten nach termingerechter Abgabe der ersten Output–Daten noch eine blendende Idee zur Verfahrensvereinfachung. Dabei wurde ein Einsparpotenzial von 30 Mio. € ermittelt.
Daraus entstand ein neues Konzept, das aber nicht richtig kommuniziert wurde – mit fatalen Folgen, denn der theoretisch möglichen Einsparung standen plötzlich ganz reale Mehrkosten in Höhe von über 90 Mio. € für Neukonstruktion, Materialumbestellungen, Luft- anstatt Seefracht und das 5000-köpfige Montageteam gegenüber.
Um Millionen geht es nicht in meinem Umfeld, das Prinzip ist das gleiche: Häufig beraten wir im stillen Kämmerlein, informieren andere betroffene Teams nicht ausreichend und verursachen dadurch Mehrarbeit und Unzufriedenheit.
Das müssen wir ändern.
Transparenz fördert das Vertrauen in getroffene Entscheidungen. Natürlich spielt dabei der persönliche, direkte Kontakt die wichtigste Rolle. Doch oftmals ist das nicht möglich.
Um dennoch Transparenz herzustellen, haben wir heute neben Meetings und Emails auch soziale Netzwerke im Unternehmen. Hier können wir in großen Teams Informationen über Hierarchien hinweg schnell und unkompliziert austauschen.
Ein weiteres wesentliches Thema für gute Zusammenarbeit ist für mich die Wertschätzung und damit der Respekt, den wir uns untereinander entgegenbringen. Eine gute Zusammenarbeit bedeutet immer Erfolge, aber auch Misserfolge zu teilen. Wenn wir kritisieren, sollten wir überlegen, was es wirklich bringt. Ich bin nicht gefeit davor und kritisiere auch manchmal viel zu schnell. Doch ich fühle mich danach nie besser, nein eher noch schlechter. Durch Anerkennung und Aufmunterung kann ich doch viel mehr Kräfte bei meinem Gegenüber mobilisieren.
Um in meinem Arbeitsumfeld Wertschätzung, Transparenz und übergreifende Team-Zusammenarbeit zu fördern, habe ich Ende 2015 gemeinsam mit zwei gleichgesinnten Kollegen eine Initiative gegründet, die sich „Working Out Loud“ nennt.
Wir legen dabei eine von John Stepper erfolgreich entwickelte Methode zugrunde, bei der entlang eines ausgeklügelten Leitfadens in jeweils kleinen Gruppen methodisch Transparenz, Wertschätzung, aber auch Offenheit, Fokus und Netzwerken praktiziert werden. Jeder nimmt sich dabei ein individuelles Ziel vor; man trifft sich zwölf Wochen lang je eine Stunde. Am Ende hat jeder sein jeweiliges Ziel erreicht, ist offener, vernetzter, hat Freude am Leben und ist somit gut gerüstet für beste Zusammenarbeit.
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