Fragen von WOL-Einsteigern

Was war wohl zuerst da: Die Neugier, das Staunen, eine sich aufdrängende Frage – oder die vorgefasste Meinung, an der es nichts zu rütteln gibt? Der Punkt geht natürlich ans Fragestellen. Leonardo da Vinci, Thomas Alva Edison, Steve Jobs und viele andere … sie alle waren Visionäre und ihrer Zeit voraus. Und sie waren begnadete Fragesteller, gaben sich nicht mit dem zufrieden, was ihnen andere als die unhinterfragbare Wahrheit serviert haben.

Deshalb freue ich mich immer wieder, wenn mir bei Seminaren, auf Workshops oder einfach zwischen Tür und Angel Fragen zu WOL gestellt werden, die das Spektrum meiner Ausführungen noch einmal erweitern möchten. Dieses interessierte Nachbohren zeugt fast immer von einer großen Frische und Aufgeschlossenheit. Hier will jemand mehr wissen!

WOL im engeren Kollegenkreis?

Neulich zum Beispiel. Das war noch vor Corona. Ich hatte gerade den Veranstaltungsraum nach einem Vortrag bei einem Münchner Frauennetzwerk verlassen, als mich eine auf dem Flur wartende junge Frau mit einem voluminösen Notizbuch in der Hand ansprach. Sie habe sich, erzählt sie, die letzten Wochen intensiv in die WOL-Thematik eingelesen und nun kreise in ihrem Kopf die zentrale Frage: „Ilona, muss ich denn, wenn ich an meinem Arbeitsplatz durch WOL wachsen möchte, unbedingt dazu mit meinen engsten Kollegen im Circle sitzen? Soll ich mich dabei den gleichen Menschen auf einer neuen Ebene öffnen, mit denen ich im Joballtag ohnehin sehr viel Zeit verbringe?“ Die Fragestellerin gab mir mit ihrem Gesichtsausdruck zu verstehen, dass sie dieser Gedanke nicht an ein befriedigendes Ergebnis glauben lässt. Und sie hat ja auch recht!

Ich rate davon ab, einen WOL-Circle im unmittelbaren beruflichen Umfeld zu initiieren. Denn in diesem Rahmen gehen wir anders aus uns heraus als etwa bei der gemeinsamen Arbeit an einem Projekt. WOL bedeutet immer irgendwie etwas von sich preiszugeben, eine sehr persönliche Selbstauskunft und damit einen Geben, das nicht von einem womöglich jahrelangen Miteinander in einem anderen Zusammenhang vorgeprägt oder gar gehemmt sein sollte. Wenn aber Menschen interagieren, die sich noch nicht aus zahllosen Meetings oder Gesprächen in der Cafeteria kennen und neugierig aufeinander sind, werden alle voneinander gewinnen.

Das Ziel trägt!

Am Rande eines WOL-Workshops berichtete mir ein auf den ersten Blick sehr dynamisch wirkender Teamleiter, dass er schon wüsste, wie zielgerichtet WOL angelegt ist und er sich deshalb frage, ob er neben Job, Familie und seiner Vorstandsarbeit im Tennisklub noch genug Antrieb dafür aufbringen könne: „Da gibt es ja verschiedene Aufgaben, denen ich mich stellen muss. Aber manchmal ist bei mir dann auch mal die Luft raus, dann fällt mir einfach nichts Neues mehr ein.“

Ich sagte ihm das, was ich schon vielen geraten habe: „Mach’ dir bloß keinen Druck. Das Ziel trägt! Und die Menschen natürlich. Alles Weitere ergib sich.“  WOL ist so konzipiert, dass wir uns in der vorgegebenen, dennoch flexiblen Struktur sicher aufgefangen fühlen können. Daher halte ich nicht viel von den Anweisungen mancher perfektionistischer Moderatoren, bis zum nächsten Treffen doch bitte schön alles gelesen und perfekt vorbereitet zu haben. Das wird nicht funktionieren. WOL verzichtet auf Kritik oder Urteile. Niemand muss ein schlechtes Gewissen habe, weil irgendeine Leistung nicht erbracht wurde. Das macht ja einen Gutteil seiner Faszination aus. Man freut sich auf den nächsten Circle und verlässt ihn mit einem guten Gefühl. Das habe ich unzählige Male beobachten können.

Noch ein Tipp zur Antriebslosigkeit: Wenn wir zum Beispiel ein neues Auto kaufen wollen … Dann haben wir doch meist konkrete Vorstellungen. Wir beschäftigen uns mit Marke, Motorisierung, Ausstattung, Farbe usw. Das läuft tagelang parallel neben den anderen Tätigkeiten mit. Man muss sich eigentlich keine Mühe geben, um im Thema zu sein. Sehen wir ein bestimmtes Fahrzeug auf der Straße oder kommt ein Gespräch darauf, sind wir sofort hellwach. Mit unserem persönlichen Anliegen bei WOL ist es genauso. Haben wir es erst einmal in unserem Bewusstsein verankert, ist es stets präsent. Mühelos können wir uns damit beschäftigen, wie von allein. Die Reise mit WOL verläuft also so ähnlich wie eine selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn wir den Startschuss gegeben haben, kommen wir hundertprozentig auch ans Ziel. Und es ist kein Wettkampf!

Verständigung aus Verständnis

Im Anschluss an ein Seminar „gestand“ mir ein interessierter Zuhörer, er sei viel zu phantasielos, um komplexe Visualisierungen von seinem Leben in der Zukunft zu entwickeln oder gar einen Brief von seinem zukünftigen Ich zu verfassen. Er persönlich fühle sich von einigen Bestandteilen von WOL ziemlich unter Druck gesetzt.

Zunächst einmal: Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Menschen ganz ohne Phantasie gibt. Träumen, sich die Zukunft ausmalen, ein bisschen spinnen dürfen … das sind aber sehr wohl Ansätze, die wir selbst zum Gegenstand von WOL machen können. Wenn ich einen WOL-Circle moderiere, bin ich zudem gern bereit, Kompromisse einzugehen. Wer sich mit der einen oder anderen Übung unwohl fühlt – kein Problem, ich übe keinen Zwang aus. Müssen muss man bei WOL schon gar nicht. Wir befinden uns idealerweise in einem Ballon des Vertrauens, der Geborgenheit, des Verständnisses. Und Verständnis entsteht, wenn jemand Zugeständnisse macht. Indem ich aufmerksam zuhöre zum Beispiel – und andere zu Fragen ermuntere.

Fazit:

Es ist immer der richtige Zeitpunkt Fragen zu WOL zu stellen und es macht Spaß Antworten zu finden. Es sind meine Antworten, sie müssen nicht für jeden passen. Zur großen Anziehungskraft von WOL gehört auch die Tatsache, dass wir im Circle oder für uns allein Antworten auf wichtige Fragestellungen erhalten. Aber auch schon im Vorfeld, wenn wir uns an WOL ran tasten, tauchen spannende Fragen auf. Oft verraten die Fragen mehr über uns selbst als über den eigentlichen WOL-Prozess. Was treibt Sie um, wenn Sie sich das erste Mal mit WOL auseinandersetzen? Welche Fragen sollten noch vor dem Start geklärt werden? Ich freue mich immer, mit Ihnen persönlich ins Gespräch zu kommen und Antworten aus meiner Erfahrung heraus anbieten zu können. Ihre Fragen auf Twitter, LinkedIn oder via E-Mail sind mir willkommen!

Ilona Libal ist Diplom-Informatikerin und IT-Projektleiterin bei einem Automobilkonzern. Wie Arbeit aussehen kann, die begeistert, Freude macht, vernetzt – dazu erzählt sie in diesem Blog Geschichten von tollen Menschen und Veränderungen. Sie möchte Wissenswertes verfügbar machen und Schwung in den Arbeitsalltag ihrer Leser bringen.