
Starke Persönlichkeiten sind wie Jeans: Sie färben ab!
Donnerstags mache ich immer zusammen mit meiner Tochter Homeoffice. Wenn Nadine dann am Nachmittag in ihren Abstimmungscall geht, hole ich meine fünfjährige Enkelin Sofia ab. Neulich hatte sie irgendwo bei einer Unterhaltung ein Wort aufgeschnappt. Das muss ihr lange durch den Kopf gegangen sein, denn schon zur Begrüßung fragte sie mich in ihrer überschäumenden Art: „Du Omi, was ist eigentlich ein Vorbild?“ Gute Frage, fällt mir dazu spontan ein! Ich kann mich so aus dem Stegreif nicht erinnern, wann ich zuletzt über Vorbilder nachgedacht habe. Dir geht es vielleicht ähnlich?
Wann also ist jemand ein Vorbild – und wer könnte das sein? Zuerst schießen mir Menschen wie Mahatma Gandhi oder Mutter Teresa durch den Kopf. Mein Star unter den großen Vorbildern ist Marie Curie, die als Nobelpreisträgerin Wissenschaftsgeschichte schrieb und zugleich Geschlechterbarrieren zum Fallen brachte.
Doch finden sich nicht eigentlich unsere größten Vorbilder ganz nah bei uns? In der Familie, in der Schule, im Freundeskreis und manchmal auch im sozialen Netzwerk wie zum Beispiel LinkedIn. Was den Job betrifft, schauen vermutlich die wenigsten auf Leute wie Bill Gates oder Steve Jobs. Ja, die beiden haben Großes geleistet, sind angeeckt, haben provoziert, sind oder waren unbequem. Ganz klar: Vorbilder sind keine Heiligen. Wir selbst sind auch keine. Aber man muss nicht den Kopf in den Nacken legen, damit man zu einer Lichtgestalt aufschauen kann. Ein Vorbild sollte doch für uns irgendwie erreichbar sein, oder? Es sollte mir erlauben, mich in ihm zu spiegeln und in der Reflexion für mich selbst etwas zu gewinnen, es sollte eine wertvolle Quelle der Inspiration und Unterstützung sein, um an mir zu arbeiten.
Ehe ich hier in die knochentrockene Theorie abrutsche, überlege ich schnell: Wen würde ich denn tatsächlich als Vorbild bezeichnen? Jemanden, der mich persönlich beeindruckt und der oder die zu meiner Lebenswirklichkeit gewissermaßen passt. Also Menschen in meiner Umgebung. Wenn ich mich einfach nur umschaue, entdecke ich so manche spannende Person, die als Vorbild für mich wirkt. Und ich bin sicher, ohne sich dieser Wirkung bewusst zu sein. Nennen wir sie ruhig mal: Vorbild auf den zweiten Blick. Ein solches Vorbild macht keinen großen Rummel um sich.
Ich denke an Marco Schneider. Marco ist ein junger Kollege von BMW. Ich habe ihn 2015 bei unserem Onboarding-Programm, in meinem ersten Jahr bei BMW, kennengelernt. Das Thema war „Stärken stärken“. Seitdem läuft ein regelmäßiger Austausch zwischen uns. Jeden Monat nehmen wir uns anderthalb Stunden Zeit für eine Lernpatenschaft, in der wir über unsere Träume, Ziele und Vorhaben sprechen. Dieser Austausch beflügelt uns gegenseitig, unsere Fähigkeiten wahrzunehmen und zu fördern. Marco arbeitet in der Entwicklung und ist dort unter anderem für die Zulassung von Sicherheitssystemen rund um die Welt verantwortlich. Wer ihn kennt, weiß: Wo auch immer Marco anpackt, dort ist er schnell als Experte anerkannt. Ich habe nur wenige Menschen getroffen, die sich selbst so konsequent, zielstrebig und erfolgreich weiterentwickelt haben. Marco ist mittlerweile Vater von zwei Kindern. Er läuft Marathon. Und eigentlich alles, bei dem man ihm erlebt, tut er mit Hingabe. Das gilt für den Job genauso wie für seine Familie. Ich kann nur für mich selbst sprechen – aber wenn wir unser Treffen haben, inspiriert Marco mich durch seine Kreativität und sein stringentes Herangehen beim Finden von Lösungen.
Hier kommt das Vorbild ins Spiel. Ja, ich fühle mich sehr oft ermutigt, nach Marcos außergewöhnlichen Denkanstöße zu agieren. Wenn ich aus einem unserer Treffen rausgehe, nehme ich immer eine schöne Idee für mich mit, die ich dann versuche umzusetzen. Ein Beispiel: Beim letzten Treffen, ich hatten einen Vortrag vor meinem Management vorzubereiten. Es ging um IT-Maßnahmen für die Vermarktung einer neuen BMW Fahrzeugklasse, die auf hocheffiziente Antriebs- und Batteriegeneration setzt. Marco stellte mein Konzept völlig auf den Kopf. Er empfahl mir, Stefan Wachtel Zielsatz-Prinzip anzuwenden. Nur so viel, es hat funktioniert. Ich konnte das Management überzeugen, meinem Vorschlag zu folgen. Und ich habe wieder gesehen, wie wichtig es ist, andere Perspektiven einzunehmen, sich die Zeit zu nehmen, mit anderen Kollegen die eigenen Vorstellungen zu diskutieren, zuzuhören und anzunehmen.
Für mich sind Menschen Vorbilder, die aktiv nach Herausforderungen und Möglichkeiten suchen, um das Arbeitsumfeld zu verbessern und das bestmögliche Ergebnis für das gesamte Team und Unternehmen zu erreichen. Vivian Fernandez, eine bolivianische Kollegin, die eng mit mir zusammenarbeitet, ist ein weiteres Vorbild in diesem Sinn. Sie ist bei uns für die interne Kommunikation verantwortlich. Vivian ist für mich ein Vorbild, weil sie besonders bei schwierigen Situationen die Ruhe behält und jedes Thema gelassen meistert. Sie lebt vor, wie man sich sogar Menschen wertschätzend gegenüber verhält, die man eigentlich gern zum Mond schießen würde. Mit ihrem sympathischen Lächeln bleibt sie immer korrekt und fair. Sie ist mein Vorbild mit ihrer Achtsamkeit, wie sie auch scheinbar kleine Themen angeht und immer eine gute Lösung parat hat. Wie sie keinen Unterschied zwischen internen und externen Mitarbeitern macht und jedem das Gefühl gibt, wichtig zu sein – genauso möchte auch ich das leben!
Auch ich möchte Vorbild sein. Nicht zuletzt meinen jungen Kolleginnen und Kollegen möchte ich Sichtweisen vermittelt, für die es zu leben lohnt. Meine Werte, meine Erfahrung, meinen Elan. Ich möchte anderen zeigen, dass wir uns nicht damit abfinden müssen, die Dinge einfach so hinzunehmen, sondern sie gestalten können. Und das habe ich aus meinen Gesprächen mit Marco und Vivian mitgenommen. Diesen Anspruch: Lerne von anderen! Schau, wer dich als Vorbild inspiriert. Und sei selbst Vorbild.
Ein Weltkonzern wie BMW besteht zu erst einmal aus vielen engagierten Menschen – Leuten wie du und ich, die das Herz auf dem rechten Fleck tragen und sehr oft die Wahrheit auf der Zunge. Und der Job ist eben nicht nur ein Job. Beinah täglich passieren hunderte von erzählenswerten Geschichten, die unser Leben bereichern können – selbst wenn man nicht dabei war. Ich habe für euch einige von ihnen aufgeschrieben. Das meiste habe ich selbst miterlebt. Und immer lässt sich aus einer der Alltagsstories etwas herausziehen, was uns Kraft, Motivation und Inspiration gibt. Vielleicht könnt ihr etwas ganz Persönliches für euch mitnehmen. Und wenn nicht, dann fühlt euch einfach in der Kaffeepause oder in der U-Bahn nach Feierabend gut unterhalten. Und…ich serviere euch die leisen Töne, das, was oft ungehört bleibt … darum heißt s ja auch: Konzerngeflüster!