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Ich treffe Karla in der Küche meiner Tochter. Sie sind langjährige Freundinnen. Auch ich kenne Karla gut. Diesmal ist sie ungewöhnlich in sich gekehrt. „Was ist denn los?“, frage ich. „Alles gut“, sagt Karla ausweichend. Ich schaue sie an. Stille. Sie druckst herum: „Ich habe die Möglichkeit, mich für einen Auslandsaufenthalt bei BMW Mini in Oxford zu bewerben.“ „Das ist doch toll“, finde ich. Natürlich interessiert mich diese Idee brennend. Karla hat meiner Meinung nach das Zeug dazu. Sie hat das Trainee-Programm bei BMW erfolgreich durchlaufen und ist zurzeit im IT Controlling tätig. Doch an Karla nagen Selbstzweifel. Sie traut sich den Job nicht zu. Jetzt steht sie vor der Küchenzeile und weiß nicht so recht, wie es weitergehen soll. Welcher Weg ist der richtige? Und wo wird er sie hinführen? Wir schweigen uns eine Weile zu dritt an. Dann erzähle ich ihr von meinen Zickzackwegen und wie alles irgendwie immer am Ende gut geworden ist. Dabei konnte ich spüren, wie ihre Selbstzweifel so langsam verblassten.

Auch im Unternehmen begegnen mir Kollegen und Kolleginnen, die an sich zweifeln. Fast immer hängt das mit neuen Herausforderungen zusammen. So wie bei Karla. Ich kenne natürlich auch solche Selbstzweifel. Sie beginnen mit einem Gefühl der Unsicherheit. Dann folgt bald das nächste mulmige Gefühl, bis man sich so verrückt macht, dass man sich das Thema nicht zutraut.  Mittlerweile habe ich gelernt, konstruktiv zu prüfen, zu  hinterfragen und neu zu sortieren. Und dann bringt mich  sogar das Zweifeln ans Ziel. Wie ich das erlebt habe? Komm mit auf einen Zeitsprung!

… Ich war in der zweiten Klasse. Da las ich in einem Märchenbuch, in dem am Ende stand: „Du musst immer nur geradeaus gehen, dann kommst du irgendwann in ein Märchenland.“ Ich bin losgelaufen. Ich lief in meiner Kleinstadt Eisenhüttenstadt  unsere Straße entlang, kam an den typischen sechsstöckigen DDR-Plattenbauten vorbei und stand plötzlich vor einem Zaun. Ich fragte mich: Was tust du jetzt? Ein Märchenland ist das ja nun nicht unbedingt! Dieses Erlebnis hat sich mir eingeprägt. Auch später habe ich immer wieder an dieses Geradeausgehen gedacht. Wenn ich mir’s recht überlege, bin ich eigentlich mein ganzes Leben lang immer beherzt geradeaus gelaufen und habe mein persönliches Märchenland gesucht.

… Später studierte ich Informatik, wurde danach wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden. Die Wende kam und ich gründete mein eigenes Softwarehaus. Ich habe mich selbstständig gemacht, weil es vorher nicht möglich war. Natürlich quälten mich Selbstzweifel. Freunde und Familie machten mir Mut. Sie glaubten an mich. Und ja, es funktionierte. Es ging geradeaus.

… Mit Anfang dreißig wurde ich Softwareentwicklerin bei der Munich Re und pendelte trotz meiner beiden Kinder ständig zwischen Dresden und München hin und her. Zu arbeiten bei einem Unternehmen wie die Munich Re war eine wunderbare Erfahrung. Doch als fast einzige Frau und dann noch berufstätige Mutter in Bayern kamen oft Selbstzweifel hoch. Ich wusste, die gehören dazu.

… Mit Ende Vierzig ging ich mit meinem Mann für drei Jahre nach Bahrain und platzte direkt in den arabischen Frühling. Oh Gott, was hatte ich hier für Selbstzweifel! Immerhin hatte ich einen guten Job aufgegeben und musste wieder neu beginnen. Ein ziemliches Risiko, wie mir damals bewusst war.

… Und drei Jahre später? Ging ich zurück nach München, bewarb mich bei BMW und wurde IT Projektleiterin. Und das bin ich noch heute.

Was sich jetzt so geradlinig liest, war dennoch immer auch ein Herantasten, ein Probieren, Abwägen – und ja: auch ein Zweifeln. Würde ich das Richtige tun? Hatte ich die geforderten Fähigkeiten? Gerate ich mit einem falschen Schritt womöglich ins Abseits?

Als diese Zweifel einmal besonders stark waren, habe ich eine schöne Methode von Monika Scheddin (https://www.scheddin.com/) übernommen. Das ging so: Ich traf mich jeden Mittwoch 12 Uhr mit mir selbst in meinem Schwabinger Lieblingscafé. Dort ließ ich die Seele baumeln, es ging um mich, nur um mich. In einem Notizbuch schrieb ich die Antworten zu folgenden Fragen: Was war diese Woche gut? Worauf freue ich mich in der nächsten Woche? Was nehme ich mir vor? In der Woche darauf blickte ich zurück, sodass eine Kette an konstruktiven Reflexionen entstand.

Bei diesen Zwiegesprächen mit mir selbst habe ich festgestellt, dass ich fast immer mindestens eine Wahlmöglichkeit hatte. Dass es immer einen Weg gibt! Ob er nun direkt in ein Märchenland führt, wissen wir erst, wenn wir angekommen sind. Ich glaube, dass wir alle ein weißes Blatt vor uns liegen haben. Und es unsere eigene Entscheidung ist, wie wir es mit Inhalten füllen. Wer zu sehr an sich zweifelt, nimmt ein negatives Ergebnis vorweg. Schade, um all die Chancen, die dabei übersehen werden.

Zweifeln kann aber durchaus helfen. Wie mir meine Tochter jetzt erzählt hat, ist Karlas Bewerbung inzwischen raus. Sie wird ihren Weg gehen!

Ein Weltkonzern wie BMW besteht zuerst einmal aus vielen engagierten Menschen – Leuten wie du und ich, die das Herz auf dem rechten Fleck tragen und sehr oft die Wahrheit auf der Zunge. Und der Job ist eben nicht nur ein Job. Beinah täglich passieren hunderte von erzählenswerten Geschichten, die unser Leben bereichern können – selbst wenn man nicht dabei war. Ich habe für euch einige von ihnen aufgeschrieben. Das meiste habe ich selbst miterlebt. Und immer lässt sich aus einer der Alltagsstorys etwas herausziehen, was uns Kraft, Motivation und Inspiration gibt. Vielleicht könnt ihr etwas ganz Persönliches für euch mitnehmen. Und wenn nicht, dann fühlt euch einfach in der Kaffeepause oder in der U-Bahn nach Feierabend gut unterhalten. Und…ich serviere euch die leisen Töne, das, was oft ungehört bleibt … darum heißt s ja auch: Konzerngeflüster!