
Es gibt Situationen, da kann man einfach nicht anders. Der innere Ärger muss an die frische Luft. Keine schöne Sache, aber ich finde: Wer authentisch sein will, darf auch im Job mal Emotionen zeigen.
Alle, die mich kennen, wissen: So schnell bringt mich nichts aus der Ruhe. Ich gehe die Dinge achtsam an und meist mit Freude. Überzogene Reaktionen sind von mir normalerweise nicht zu erwarten – im Gegenteil: Ich kann mir zugutehalten, dass ich durch meine grundsätzliche Aufgeschlossenheit und Verbindlichkeit in viele angespannte Situationen Ruhe gebracht und für klare Köpfe gesorgt habe. Bis zu diesem Dienstag im letzten November. Als eine Kollegin aus dem Fachbereich mir erklärte, dass sie mir erst dann sagen kann, welche Daten aus dem Altsystem in das neue System migriert werden können, wenn ich ihr die technischen Voraussetzungen dazu nenne. Habe ich da richtig gehört? Warten wir in der IT nicht schon seit Monaten auf die Festlegung, welche Inhalte in das neue System zu migrieren sind. Inhalte, die nur der Fachbereich festlegen kann, unabhängig von technischen Voraussetzungen. Hier wird doch wieder das Projekt unnütz verzögert.
Da platzte mir der sprichwörtliche Kragen und ich bin laut geworden. Ein bisschen zu laut. Alle sahen mich erschrocken an, sagten aber nichts. Eine Stunde später fing mich Moni auf dem Flur ab und fragte ungläubig: „Sag mal, Ilona, warum bist du vorhin so emotional geworden? So kenne ich dich gar nicht.“ Stimmt. Wenn man selten aus der Haut fährt, sind solche Emotionsausbrüche immer eine Überraschung. Aber warum sahen mich alle mit großen Augen an, weil ich meinen Ärger nicht einfach runterschluckte, sondern mal so richtig Luft machte? Ist absolute Selbstbeherrschung denn für eine Unternehmenskultur unverzichtbar? Dient es einer guten Sache, Emotionen zu unterdrücken? Ich bin mir da nicht sicher. Klar, wir sollten einen guten kollegialen Umgang pflegen und niemals herabsetzend oder beleidigend werden. Aber diese Haltung macht uns noch lange nicht zu Robotern.
Statt „Wie konntest du nur …?“ zu fragen, könnten wir darüber nachdenken, ob es nicht ehrlicher und authentischer ist, in bestimmten Augenblicken ganz bei sich selbst zu sein. Das kann eine sehr reinigende Wirkung haben. Jedenfalls hat meine harsche Ansage anscheinend doch etwas gebracht. Die Kollegin hat mir eine Woche später einen ersten Entwurf zukommen lassen. Auf Basis dessen konnte ich weiter arbeiten und mir Punkte überlegen, über die ich gerne mit ihr diskutieren möchte.
Was ich daraus gelernt habe? Auch für mich war der emotionale Ausbruch wichtig. Ich habe gemerkt, was mich triggert. Beim nächsten Mal werde ich zusehen, dass ich schon früher was sage. Dann bleibt der Ärger auf Sparflamme.